Mädchen und Frauen sind nach wie vor in vielen Bereichen benachteiligt. Tansania hat mit 37% eine der höchsten Kinderheiratsraten der Welt. Von den Frauen im Alter von 15 bis 49 Jahren haben 44 % entweder körperliche oder sexuelle Gewalt erlebt. Chancengleichheit gibt es im Alltag noch keine, obwohl Gleichberechtigung gesetzlich verankert ist.
Zu diesen und vielen weiteren Herausforderungen, mit denen Mädchen konfrontiert sind, leistet das Empowerment Training für insgesamt 200 Mädchen der Ikhanoda und Mwasauya Secondary School wertvolle Bewusstseinsarbeit und stärkt ihre Autonomie und Selbstbestimmung. Über Geschlechtergerechtigkeit, Frauenrechte, Körperbild, Abgrenzung, Sexualität, Ausbildung und andere relevante Themen wird Wissen und Information vermittelt. Die beiden Trainingstage für Kleingruppen mit je 25 Mädchen sind geprägt von Austausch und Diskussion. Bewegungseinheiten, um Gesprochenes zu verinnerlichen, bilden Vertrauen und Zuversicht. So werden die Mädchen nicht nur ermutigt, ihre Geschichten und Erfahrungen zu teilen, sondern auch vor der Gruppe zu sprechen, „Nein“ zu sagen, sich auszudrücken und zukunftsbezogene Szenarien in kurzen Blitzlicht-Szenen darzustellen. Der moderierte Austausch der Mädchen zu tabuisierten Themen untereinander, die Möglichkeit zum Erfahrungsaustausch, aber auch gehört und gesehen zu werden und gegenseitige Unterstützung zu erfahren, gibt den Mädchen Werkzeuge in die Hand, die ihre Selbstbestimmung und ihren Mut fördern. Wesentlich ist die Bestärkung, dass ihre Stimme bedeutsam und legitim ist und sie etwas verändern können. Die Erkenntnis, dass es dabei nicht um individuelle oder familiäre Themen, sondern um tief verwurzelte strukturelle und gesellschaftliche Probleme geht, ist besonders wichtig.
Die Mädchen nutzen diesen Raum gerne und sprechen sensible Themen mit großer Offenheit an. Auch das Wissen über geschlechterspezifische Gewalt ist überraschend groß. Der Begriff Gender Based Violence umfasst physische und psychische Gewalt, Beschneidung, Ungleichheit, fehlende Selbstbestimmung und andere Themen. Das zeigt ein vorhandenes Bewusstsein, dass sich das gegenwärtige und eingespielte System gegen ihre Interessen und ihre Selbstbestimmung richtet, sie aber nicht wissen, wie sie dieses Wissen in Aktion bringen können. Das Bedürfnis nach sozialem Wandel ist groß und beginnt mit kleinen Veränderungen im alltäglichen Handeln. Diese Verbindung kann das Training herstellen.
Um die Umsetzung zu konkretisieren, treffen sich die Mädchen in sogenannten „School Clubs“, moderiert von einer Lehrerin und der Projektleiterin. In diesen Treffen werden Themen gewählt und Alltagsszenarien geübt. Die Ergebnisse werden nach 6 Monaten in der Schule präsentiert, zu dem auch die Eltern eingeladen werden.
Im Februar 2024 wird ein interdisziplinäres Teacher Training für die 3 Lehrerinnen und die 20 Lehrer der beiden Schulen durchgeführt. Ziel ist es, Methoden zur Integration der Themen Gleichberechtigung und Gewaltprävention in die Unterrichtsfächer zu vermitteln. Dabei soll Raum für positive Begegnungen zwischen Mädchen und Burschen geschaffen werden. Viele Mädchen leiden unter der Abwertung der Burschen, und umgekehrt fühlen sich die Burschen im Kontakt mit den Mädchen genauso unsicher.
Die Programmleiterin, Mag. Andrea Rainer, und die Psychotherapeutin und Supervisorin Dr. Bettina Waldhelm-Auer haben den Trainingsablauf, die Ziele und Methoden ausgearbeitet. Die Projektleiterin vor Ort, Violet Shaku (im Bild), unterstützt von Maria Stenai, Mitarbeiterin im Sozialamt, wird in zahlreichen Online-Trainings in Gruppenleitung, Umsetzung in Handlungsstrategien, Körperübungen und psychisch-sozialer Unterstützung geschult. Die integrierten Bewegungseinheiten unterstützen dabei, Ängste, Trauer und Wut in körperlicher Bewegung auszudrücken und alle Kraft auf Veränderungsprozesse und Entwicklung ausrichten zu können.